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„Krim – tatarische Musikzeugnisse“ Yusan Zillya

Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 arbeitete das Musikensemble Kurbasy des experimentell-avantgardistischen Les Kurbas Theater mit krim-tatarischen Künstlern zusammen, die nach Lemberg/Lviv geflohen waren. Als Binnenvertriebene haben sie im Les Kurbas Theater eine neue Heimat und einen neuen künstlerischen Wirkungskreis gefunden.  

Die Krim-Tataren gehören zur autochthonen Bevölkerung, einer türkischsprachigen Volksgruppe, die ursprünglich auf der Halbinsel Krim lebte. 1944 wurden sie unter Stalin nach Zentralasien deportiert. Erst mit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 durften die Krim-Tataren wieder in ihre Heimat zurückkehren. Nach der Annexion der Krim 2014 mussten viele fliehen, da sie massive Repression, Unterdrückung und Verhaftungen durch das russische Regime erfuhren. Auch der krim-tatarische Multiinstrumentalist, Musikforscher und Komponist Djemil Karikov und seine Tochter, die Cellistin Nial Khalilova mussten 2014 deshalb ihre Heimat Krim verlassen.

Geboren wurde Djemil Karikov 1960 in Begovat in Usbekistan. Er schloss sein Studium an der staatlichen Musikschule Suchumi in Abchasien in der Abteilung für Volksmusikinstrumente und später an der Abteilung Musiktheorie und Komposition am staatlichen Konservatorium Taschkent in Usbekistan mit Auszeichnung ab. Er arbeitete als musikalischer Leiter des Khaytarma-Ensembles und war Chefdirigent des Crimean Tatar Drama Theatre. Über Jahrzehnte hat er einen reichen Schatz an Liedern der Krim-Tataren gesammelt und war massgeblich an der Wiederbelebung der krim-tatarischen Musik und dem Spiel der typischen Musikinstrumenten Saz, Baglama, Kaval, Satur, Kemenche, Zurna, Nay beteiligt. Er ist der Arrangeur der Nationalhymne der Krim-Tataren für Chor und Symphonieorchester. 2004 initiierte er die Gründung des Ensembles „Maqam“, dass fast vergessenes krim-tatarisches Repertoire aufgeführt hat. 2015 wurde er von der Ukrainischen Regierung mit dem Titel „Verdienter Künstler der Ukraine“ ausgezeichnet. Er hat die krimtatarische Musikkunst als Musikforscher und Musiker in der Ukraine, der Türkei, Deutschland, Belgien und Polen vertreten. Zudem war er Musikredakteur des staatlichen Fernseh- und Radiosenders „Krim“ und arbeitete von 2011 bis 2021 als Redakteur für Musiksendungen eines asiatisch-pazifischen Fernsehsenders. 2021 veröffentlichte er die Anthologie der traditionellen krimtatarischen Musik „Qırımnın yerli muzıkası“ („Musik der Krim“).

Nial Khalilova wurde 1999 in Simferopol in der Autonome Republik Krim geboren. Sie absolvierte die N. V. Lysenko Fachschule für Musik in Kyiv und studierte von 2017-2021 an der Nationalen N. V. Lysenko Musikakademie Lemberg, die sie mit Bachelor abschloss. Seit 2021 setzt sie dort ihr Masterstudium fort. 2017 erhielt sie den 1. Preis für Kammerensembles beim Intl. Instrumentalwettbewerb Evgeny Stankowitsch. Sie arbeitete als Cellistin von 2019 - 2022 im K&K Philharmoniker Orchester und seit 2022 im Lviv National Philharmonic Orchestra. Sie nahm an vielen Projekten in der Ukraine und im Ausland teil u.a. mit dem K&K Philharmoniker Orchesters Konzerte in Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz. Mit dem Lviv National Philharmonic Orchestra unternahm sie 2022 eine USA Tournee „Ukraine sehen und hören“. Sie gehörte zum zum krim-tatarischen Musikensembles „Makam“ mit dem sie an Fernsehprojekten und Festivals teilnahm.
 
Mit der Sängerin des Ensembles Kurbasy, Natalia Rybka-Parkhomenko entwickelten sie das Projekt „Yuşan-Zillya“. In der krim-tatarischen und ukrainischen Tradition wächst auf der Krim die Pflanze „Yuşan“ = der duftende Wegerich, auch Unsterblichkeitskraut genannt und symbolisiert die Kraft, die eigene Kultur nicht zu vergessen. In diesem Projekt vereinen sie zwei Kulturen, zwei Sprachen und zwei Völker. Ukrainische und krim-tatarische Volkslieder werden vertonten Gedichten des anatolischen Sängers und Dichters Aşık Veysel gegenübergestellt. Âşık Veysel, der in jungen Jahren sein Augenlicht verlor, konnte in Begleitung seiner Saz und seiner charakteristischen Musik und Spielweise sowie seiner zutiefst poetischen Gedichte die Herzen seiner Mitmenschen erreichen. Âşık Veysel hat uns eine Welt gezeigt, in der das Sehen mit den Augen keine Rolle spielt, denn: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliches ist für die Augen unsichtbar.“ (Antoine de Saint-Exupéry) 

 

Foto: by Lieve

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