FSJ Erfahrungsbericht | Nia Cherkassov
Warum ein FSJ Kultur?
Nachdem ich mein Studium der Geschichts- und Kulturwissenschaften abgeschlossen hatte, fand ich mich zwar mit einem Zertifikat, aber wenig praktischen Berührungspunkten mit dem hessischen Kulturbetrieb wieder. Pandemisch bedingt waren während des Studiums kulturell vielseitige Praktika nicht möglich, weshalb ich nach meinem Abschluss nach einer Tätigkeit suchte, bei der ich die Arbeit im Kulturbereich begleiten und mich in ein komplett neues Umfeld einleben konnte. Auf Empfehlung eines Arbeitskollegen hin schaute ich mich in NRW um und stieß dabei auf das Kultursekretariat NRW Gütersloh, das aufgrund seines besonderen Konzepts und dem Angebot an Förderprogrammen mein Interesse weckte. Nach erfolgreichem Kennenlerngespräch konnte ich mich drauf freuen, ab dem 1. September 2023 im Rahmen eines FSJ Einblick in die Kulturförderung und die überregionale Kulturlandschaft NRWs zu erhalten.
Nach dem Studium praktische Erfahrungen sammeln
Die ersten Arbeitswochen waren maximal ereignisreich – wie ins kalte Wasser gesprungen, fand ich mich in meinen ersten Arbeitstagen inmitten von Arbeitskreissitzungen, Messen und Netzwerktreffen in Städten wieder, von denen ich bisher nur durch Torsten Sträter gehört hatte. Anfangs waren die zahlreichen neuen Eindrücke überwältigend, doch dank der Unterstützung von meinen neuen Kolleginnen konnte ich sie in meinem eigenen Tempo verarbeiten und meinen Flow in den Arbeitsprozessen finden.
Im Arbeitsbereich Kulturelle Bildung war für mich insbesondere die Teilnahme an Bildungsangeboten bereichernd, z.B. zum Thema Barrierefreiheit für einen inklusiven Kulturbetrieb. Ich erhielt Einblick in die Jury-Arbeit bei der Projektauswahl für die Förderprogramme (D)ein Ding und Durchdrehen!. Durch die redaktionelle Mitarbeit an den (D)ein Ding-Praxisbeispielen für die Webseite lernte ich verschiedene Institutionen und didaktische Konzepte für kulturelle Jugendarbeit kennen.
Besonders Spaß machte mir die abwechslungsreiche Öffentlichkeitsarbeit. Hier gab es niemals zu wenig zu tun – stets galt es die Webseiten und Social-Media-Kanäle zu pflegen und weiterzuentwickeln. Ich schnupperte dadurch in die laufenden Projekte des Förderprogramms Stadtbesetzung und vertiefte mein Interesse für Kunst im öffentlichen Raum. Bei dem Erstellen von Reels oder der Präsentation von Skulpturen aus der Sammlung von NRWskulptur konnte ich mich kreativ austoben und Erfahrungen im Umgang mit gängigen Content-Management-Systemen erhalten.
Im Arbeitsbereich Verwaltung begleitete ich Fördervorgänge vom Projektvorschlag bis hin zum Verwendungsnachweis aus der Perspektive des Fördergebers. Im Zuge dessen machte ich mich mit den zuwendungsrechtlichen Grundlagen vertraut und lernte, worauf es beim korrekten Ausfüllen von Projektanträgen und Verwendungsnachweisen ankommt (so kann ich mittlerweile besser nachvollziehen, warum sich die Bearbeitung eines Vorgangs an der ein oder anderen Stelle verzögert). In den Arbeitskreissitzungen der Spartenförderung nahm ich auf, wie in Bezug auf die Förderkriterien über Projektvorschläge diskutiert wird und übte mich darin, beim Protokollieren der Diskussionen und Arbeitsergebnisse den Überblick zu behalten.
Außerhalb der Arbeit im Kultursekretariat waren die Seminarfahrten und Bildungstage unglaublich bereichernd für mich. Sich mit anderen kreativen Freiwilligen für eine Woche zusammenzutun, ermöglichte mir freie Entfaltung auf verschiedenen Ebenen. Sie boten die Möglichkeit, neue künstlerische Ausdrucksformen auszuprobieren, beispielsweise Stummfilm, Hörspiel, Mixed-Media Theater und Animation.
Verlängerung des FSJ
Durch die vielen Erlebnisse innerhalb des Jahres rasten die zwölf Monate des Freiwilligendienstes nur so dahin. Da ich Gefallen an der Routine, der Arbeitsstruktur und wohligen Arbeitsatmosphäre gefunden habe, konnte ich dankenswerterweise mein FSJ um ein weiteres halbes Jahr auf die generelle Höchstdauer eines Freiwilligendienstes von 18 Monaten verlängern. Meine Mitarbeit in den verschiedenen Bereichen wurde sehr wertgeschätzt, was mein Selbstvertrauen stärkte. Auch ich konnte mich stets auf Unterstützung durch das Team verlassen, von dem ich gerne noch eine Weile länger lernen wollte.
Besonders interessant war für mich, bereits im Vorjahr besuchte Veranstaltungen erneut zu erleben – diesmal mit deutlich mehr Orientierung und Vertrautheit mit den Inhalten, Prozessen und den Ansprechpartner*innen der Mitgliedsstädte.
Nach dem Rückblick folgt Ausblick
Das Kultursekretariat erwies sich mir als gutes Sprungbrett in die Kulturarbeit. Ich begriff, wie wichtig es ist, Kulturförderung im politischen Kontext zu denken und bekam Einblick in die Weiterentwicklung von kulturellen Bildungskonzepten für Kinder durch die Kulturstrolche. Bis zum Schluss schätzte ich es, dank der Dienstreisen in die Mitgliedsstädte und Bildungsorte mich mit meiner neuen Heimat vertraut zu machen und viele spannende Kulturorte kennenzulernen – oder zumindest einen Besuch vorzumerken. Die Liste abzuarbeiten dauert!
Meine Erfahrungen im FSJ haben mir bestätigt, dass ich im Kulturbereich gut aufgehoben bin und weiterhin in und mit der Kunst- und Kulturszene in NRW arbeiten mag. Auf jeden Fall werde wieder in die pädagogische Praxis einsteigen, so z.B. Bildungsangebote für künftige Freiwillige mitgestalten. Und vielleicht begegne ich dem Kultursekretariat wieder, sobald ich selbst bei einem geförderten Projekt mitwirke!
Begleitung eines Stadtbesetzung-Projekts in Paderborn.
Foto: Michael Austermeier
Straßenkünstler*innen auf einer Performance-Messe sichten.
Hörspiel produzieren auf der Seminarfahrt in Bad Fredeburg. Foto: Khang Nguyen
KULTURgeORTet – Kulturinstitutionen in den Mitgliedsstädten des Kultursekretariat NRW Gütersloh
Für die Webseite des Kultursekretariats habe ich die neue Rubrik KULTURgeORTet aufgebaut, um darin Kultureinrichtungen aus den Mitgliedsstädten des KS NRW GT zu porträtieren. Mit der Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V. in Remscheid stellte ich den ersten dieser Orte mit dem Schwerpunkt Kunst im öffentlichen Raum vor. Dazu wurde ich von Katja Wickert, einer der Gründer*innen, in die Kulturwerkstatt eingeladen. In einem Interview erfuhr ich mehr über das Projekt, leerstehende Häuser im Stadtteil Honsberg vor dem Abriss zu bewahren und stattdessen Freiräume und Ateliers für Künstler*innen und Kulturakteur*innen aufzubauen. Außerdem unterhielten wir uns intensiv über Kunst und den eigenen künstlerischen Werdegang, woraus ich mir viel mitgenommen habe.
Das Interview habe ich in einem Hospitationsbericht zusammengetragen.
Foto: Nia Cherkassov