Vom Rezipienten zum Produzenten RandomFandom
Corona verändert Veranstaltungsformate. In der Stadtbibliothek Minden und auch im Jugendhaus Juxbude betrifft dies besonders den Bereich der Medienkompetenzvermittlung. Während es vor der Pandemie jugendliche Spieletester*innen gab, die sich in der Gruppe physisch getroffen haben, um Videospiele auszusuchen, anzuschauen, sie zu spielen und dann dazu Rezensionen zu schreiben, finden seit dem Ende der Sommerferien 2020 keine Vor-Ort-Treffen mehr statt. Vor der Ferienzeit haben sich die älteren Jugendlichen in weiser Voraussicht eigenständig hingesetzt und kleine Spielesessions gestreamt. Damit war die Idee geboren, so etwas nun auch öffentlich anzubieten.
Professionalisierung durch Workshop
„Die zuvor analog organisierten Spieletester*innen sind begeistert von diesem spaßbringenden Liveformat, das über Portale wie YouTube oder Twitch TV veröffentlicht wird, und bei dem die Spielenden im Chat eingeblendet reagieren können“, freut sich Lukas Opheiden, Medienpädagoge der Stadtbibliothek Minden. Gefördert vom Kultursekretariat NRW Gütersloh im Rahmen der Projektförderung #nrwzeigtkultur und in Kooperation mit Spieleratgeber-NRW, dem medienpädagogischen Online-Ratgeber der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW, wurde ein Online-Workshop organisiert. Inhaltlich ging es unter anderem darum, wie man die Livestreams mit einem schlüssigen Konzept versieht, wie gute Kommunikation im Netz funktioniert und was man gegen Hate Speech tun kann, wie man sich gut verkauft und sich unterschiedliche Bedürfnisse unter einen Hut bringen lassen.
Eingeladen waren die Spieletester*innen der Stadtbibliothek Minden und der Juxbude vom städtischen Jugendhaus. Etwa acht Jugendliche im Altern von 12 bis 20 Jahren nahmen daran teil. Sie trafen sich im Anschluss regelmäßig in Chatgruppen über den Onlinedienst Discord, um das Format zu gestalten. Dabei ging es um Fragen zur Namensfindung, zum Design, zur Spieleauswahl und um die konzeptionelle Klärung, welche Aspekte im Stream hervorgehoben werden sollen und welche nicht.
Eigenregie der Jugendlichen
„Besonders wichtig ist mir bei diesem Projekt, dass die Jugendlichen selbst entscheiden. Sie sind die Streamer, die es in der Hand haben, was gerade passiert, wie das Publikum eingebunden wird, mitkommuniziert und mitspielt“, betont Eva Segler, Leiterin des Jugendhauses Juxbude. Ihr Platz sei eher im Hintergrund, denn die eigentliche Leitung in diesem Projekt tragen die ehrenamtlichen Koordinatoren: Daniel Klein, der in der Altenpflege arbeitet, und Jean Michel Reupsch, Schüler der 11. Klasse. Sie sorgen dafür, dass es läuft und schaffen die Basis dafür, dass sämtliche Entscheidungen als Gruppe getroffen werden können. Beide sind erfahrene Spieletester und lernten sich bei „Extraleben“, der seit 2016 gegründeten Spieletester-Gruppe der Stadtbibliothek Minden kennen. „Wir geben den Input und die Gruppenmitglieder entscheiden“, so die Koordinatoren.
Der eigentliche Start der Livestreams hat sich noch einige Wochen hingezogen, da vor allem Organisatorisches und auch Rechtliches abzuklären war. „Wir wollten natürlich auf der sicheren Seite sein und Bürokratie braucht leider ihre Zeit“, sagt Klein. Zu klären sei auch noch gewesen, auf welcher Plattform zukünftig gestreamt werden sollte. Ursprünglich war die Plattform Twitch.tv geplant, da diese sich speziell für das Streaming von Videospielen eignet. Aufgrund datenschutzrechtlicher Lücken entschied sich das Projektteam jedoch für den YouTube-Kanal der Stadtbibliothek Minden. Für die Werbung und Ankündigung der einzelnen Streams werden ebenfalls die bewährten Social-Media-Kanäle der Bibliothek und des Jugendhauses Juxbude genutzt.
Namensfindung und Design
Beim Namen haben sich die Jugendlichen für „RandomFandom“ entschieden. Dabei steht das englischsprachige „Random“ für „zufällig, willkürlich und wahllos“. Ein „Fandom“ beschreibt eine (Fan-)Gemeinde, die sich für das Gleiche begeistert. „Der Name fasst den Projektinhalt perfekt zusammen“, berichtet Klein. Sie alle verbinde etwas Gemeinsames, für das sie andere ebenfalls begeistern wollen. Die Auswahl der jeweils zu testenden Spiel planten sie jedoch nicht, sondern überließen sie dem Zufall beziehungsweise den Teilnehmenden. Für das Design entwickelten die Jugendlichen gemeinsam Farben, Grundkonzept und Idee. Umgesetzt hat es eine externe Designerin.
Nachdem die ersten drei Livestreams hinter den Spieletester*innnen liegen, wird deutlich, dass wie bei jeder Liveübertragung immer mal eine Panne passieren kann: Was, wenn gerade keine Zuschauer*innen da sind? Wie geht man damit um, wenn im Chat plötzlich ganz viel auf einmal steht? Wenn die Technik versagt? Mit jeden neuen Livestream lernen die Organisator*innen mehr, souverän zu reagieren, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden. „Das sind Fähigkeiten, von denen einige unserer Gruppe viel für sich mit nehmen können“, unterstreicht Medienpädagoge Opheiden.
So geht’s weiter
Alle 14 Tage werden donnerstags ab 18:30 Uhr per Livestream Spiele zu einem bestimmten Thema vorgestellt und gemeinsam spielend getestet. Die Veranstaltung dauert in der Regel ein bis anderthalb Stunden. Ende April 2021 starteten die Spieletester*innen der Stadt Minden einen Extra-Livestream im Rahmen der kulturellen Sonntagsöffnung, gefördert durch den Fonds „hochdrei – Stadtbibliotheken verändern“ der Kulturstiftung des Bundes. Sie entführten in die Minecraft Fantasy-Welt und vermittelten Spielerlebnisse mit Party-Spielen wie Drawful, Survive the Internet oder Gartic Phone.