Schumann, Sinfonie Nr. 1 op. 38 (35') "Frühlingssinfonie"
Strawinsky, Le Sacre du printemps (33')
Dirigent: Sebastian Tewinkel
Lebendig und frisch, so kann das Landesjugendorchester NRW beschrieben werden. Oder eher zielstrebig und diszipliniert? Es passt beides, wenn sich etwa 80 musizierende Jugendliche in ihren Schulferien treffen, um große musikalische Werke zu erarbeiten und diese in höchster Qualität zur Aufführung zu bringen. Denn sie sind vielfältig, die jungen Menschen zwischen 14 und 21 Jahren, die ihr Können bereits im Landeswettbewerb "Jugend musiziert" unter Beweis gestellt und dort erste Preise gewonnen haben. Und doch ist jedes sich Zusammenfinden neu und anders, was der Lebendigkeit dieses seit über 50 Jahre bestehenden Klangkörpers zugutekommt: denn der Drang aller ist groß, zusammen musikalisch zu arbeiten, in der Musik zu leben und dem Klang eine gemeinsame Richtung zu geben. In ihrem Alltag leben sie in ganz NRW verstreut und sind mit ihrem Instrument alleine vor Ort beschäftigt. Die gemeinsame Richtung macht sich - beinahe übersinnlich gelenkt - bemerkbar, wenn sie nun schon seit über 230 Arbeitsphasen ihrem Wunsch nachkommen können: im Landesjugendorchester NRW unter der Leitung von namhaften Dirigenten gemeinsam musikalisch zu brillieren.
Im Jahr 2025 steht das Programm unter dem Motto: „Naturbetrachtung anstatt Menschenopferung/Frühlings(alb)traum“. Um ein Projekt der Superlative umzusetzen, ist eine Kooperation mit Yvonne Eibig und Tanzkultur geplant. Gemeinsames Ziel ist eine Ballettaufführung von Igor Strawinskys „Sacre du Printemps“ mit Orchester. Insgesamt 104 Jugendliche aus ganz NRW mit unterschiedlichen Vorerfahrungen werden unter Leitung von Prof. Sebastian Tewinkel (Chefdirigent des LJO NRW) und Yvonne Eibig von Tanzkultur miteinander musizieren und tanzen. Das Projekt ermöglicht Schülerinnen und Schülern kulturelle Teilhabe durch das Erleben und aktive Erfahren von Kultur.
Den ersten Teil des Programms bildet allerdings die erste Symphonie von Robert Schumann in B-Dur. 1841 schrieb er in nur wenigen Wochen seine „Frühlingssinfonie“. Schumann war auf der Höhe seines Lebens, frisch verheiratet und komponierte die Sinfonie, wie er selbst sagte „in jenem Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinreißt und in jedem Jahr von neuem überfällt“. Durch ein Gedicht seines Zeitgenossen Adolf Böttgers (1816-1870) erhielt er den entscheiden Impuls: „Im Tale blüht der Frühling auf.“ Den Rhythmus dieser Schlusszeile des Gedichts schmettern Hörner und Trompeten textlos gleich zu Beginn der Sinfonie. Als Keimzelle zieht sich der markante Rhythmus durch den weiteren Satzverlauf. Satzüberschriften (Frühlingsbeginn, Abend, Frohe Gespielen und Voller Frühling), die die Sinfonie ursprünglich hatte, strich Schumann noch vor der Veröffentlichung seines Werkes, dessen Leichtigkeit und Lebensfreude ihrer Hörer*innen auch ohne diese Hinweise vernehmen.
Im zweiten Teil des Programms ändert sich mit Ballettmusik von Igor Strawinski die Darstellung des Frühlings drastisch. „Sacre du Printemps“ komponierte er 1913, in einer Zeit, in der es durch Technisierung und Urbanisierung des Lebens zu einem tiefgreifenden Wandel der Wahrnehmung kam. Raum und Zeit wurden durch neue Verkehrsmittel und Medien wie den Film anders erfahrbar, Rhythmus und Klang der Maschinen entwickelten sich zu Schrittmachern der Moderne. In Werken von Strawinskys erscheinen diese Erfahrungen in kompositorische und szenische Strukturen transformiert. Das Ballett beschreibt ein Frühlingsopfer im heidnischen Russland. In diesem Ritual, das barbarische Züge annimmt, wird dem Frühlingsgott zur Versöhnung eine Jungfrau geopfert. Die Töne des letzten Taktes D-E-A-D, also 'Dead', sind ein grausames Symbol für den Tod, das seines Gleichen sucht und im kompletten Kontrast zu Schumanns fröhlicher „Frühlingssinfonie“ steht.
100 Jahre später opfern wir die Natur. Wir holzen Regenwälder ab, verschmutzen die Meere mit Mikroplastik und legen Moore trocken. Unsere Wahrnehmung der Natur verändert sich ständig und bleibt ein aktuelles Thema.