Von Anke von Heyl
Am 3. Dezember 2020 fand die Zukunftswerkstatt des Jungen Kultursekretariats als Online-Veranstaltung über das Tool Venueless statt und es trafen sich um die 100 Teilnehmende aus dem Bereich der Jugend-Kulturarbeit der Mitgliedsstädte des KS NRW, um sich über Zukunftsthemen in der Kultur auszutauschen. Anhand von Best Practice Beispielen aus den Projekten des Jungen Kultursekretariats NRW Gütersloh wurden unter anderem Fragen zu Teilhabekonzepten und partizipativen Formaten diskutiert. Ein weiteres Ziel der Veranstaltung war aber auch die Vernetzung der Akteurinnen und Akteure untereinander. Deswegen setzte man auf das Format einer Unkonferenz, in der sich alle Beteiligten mit ihrem Wissen gleichermaßen einbringen konnten.
Best Practices
Zunächst gab es im Plenum Kurzpräsentationen zu Projekten aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Kulturbereich. So berichtete Carola Paulmichl von der Kinder- und Jugendbibliothek in Beckum über neue Wege und Kooperationen, die sie zum Beispiel mit dem Sommerleseclub mobil gegangen ist. Max Jaeckel und Fabian Markmeier gaben in diesem Zusammenhang aus ihrer jungen Perspektive Einblicke in die Konzeption eines Escape Rooms.
Marie Osterbrock, Julia Azarnykh und Teresa Piotrowski haben ihre Erfahrungen mit zwei Ansätzen zur Bindung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei den (D)ein Ding-Projekten in Minden weitergegeben. Danach gewährten Susanne Kirchner und Evgenija Kosov aus Paderborn Einblicke in die Möglichkeiten, über Theater- oder Musikfestivals eine Plattform für die Junge Kulturarbeit zu entwickeln. Aus Paderborn war auch Manfred Webel zugeschaltet, der sein partizipatives Kunstprojekt Bitte Berühren im sozialen Raum vorstellte. Der Tänzer und Choreograf Andreas Wegwerth zeigte weiter auf, wie in Detmold im Förderprojekt Durchdrehen! über Tanzkunst neue Begegnungen ermöglicht werden können. Petra Brinkmann erzählte von einem Angebot des Projekts Kulturstrolche, einem Experiment der Jugendkulturarbeit in Minden. Rahel Steffen stellte die Erfolge von Tanzimpulsen für die Jugendkultur in Herne vor und Joscha Denzel berichtete von den Erfahrungen der Werk-Stadt in Witten, die mit einem hybriden Veranstaltungsformat im Rahmen des Projektes #NRWzeigtKultur gemacht wurden.
Formen der Beteiligung
Nach den Kurzvorträgen verteilten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in verschiedene Breakout-Sessions, in denen die Themen noch einmal in Diskussionsrunden vertieft werden konnten. Da ging es dann unter anderem darum, wie man ein junges Publikum zur Teilnahme an den Angeboten motivieren könne, aber auch, wie Beteiligungsprozesse innerhalb der Institutionen angestoßen werden könnten.
In der Diskussion kam die Frage auf, welche Form der Beteiligung man überhaupt zulassen könne und welche Freiräume – auch über Hierarchien und Deutungshoheiten hinweg – man dafür zur Verfügung stellen wolle. Das sei vor allem auch eine Frage der Haltung, so die einhellige Meinung der Diskutierenden. Dass dabei das Digitale gute Dienste leisten könnte, wurde auch von vielen Seiten bekräftigt. Kollaborative Formate wie Hackathons könnten sich zum Beispiel wunderbar eignen für die Beteiligung eines jungen Publikums.
Hier – wie auch im Analogen – sei aber vor allem entscheidend, welche Art der Zugänge sich gestalten lassen. Es gehe vor allem um ein basisdemokratisches Vorgehen, dass man durchaus auch in aller Radikalität zulassen müsse. Der physische Ort als Begegnungsstätte spiele dabei immer eine zentrale Rolle.
Denn – und das kam auch an verschiedenen Stellen der Diskussion zum Vorschein – es müssten unbedingt die Schnittstellen zu den Lebenswelten des jungen Publikums identifiziert werden. Nur so könne eine Basis für die Partizipation gelegt werden. Hierfür müssten Freiräume im wahrsten Sinne des Wortes geschaffen werden.
Reichweite und Bindung
Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung in schulische und außerschulische Kontaktaufnahme zu machen. Über die Schulkontakte ist es sicher leichter, Jugendliche anzusprechen. Die Erfahrung vieler Teilnehmender war, dass seit ungefähr zehn Jahren die Erreichbarkeit von Jugendlichen ab 14 Jahren vor allem im außerschulischen Bereich deutlich schwieriger würde. Das habe sicher auch etwas mit dem Eingebunden sein der Jugendlichen in eine wachsende Fülle anderer (auch schulischer) Tätigkeiten zu tun. Auch die jungen Mit-Diskutierenden der Zukunftswerkstattbestätigten, dass vor allem die Frage der Verbindlichkeit und der Verfügbarkeit eine Rolle spiele bei der Entscheidung, sich in Kulturprojekten zu engagieren.
Ein spannender Aspekt wurde beim Thema „Erreichbarkeit“ auch noch angeschnitten. Hier sei es nämlich oft so, dass für Förderanträge vermehrt die sozialen Randgruppen fokussiert würden. Es ist klar, dass dies eine nicht zu unterschätzende Herausforderung sei und man müsse unbedingt ein Bewusstsein dafür schaffen, dass beispielsweise auch Outreach-Strategien mitgefördert werden müssen.
Strategien der Kontaktaufnahme und Kommunikation
Um den Kontakt zu neuen und jüngeren Zielgruppen aufzubauen scheinen zwei Dinge unerlässlich. Zum einen ist es entscheidend, auf welche Weise und mit welchen Personen Vertrauen aufgebaut werden könne. Hier sollen vor allem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren helfen, wie zum Beispiel sozialräumliche Partnerinnen und Partner oder Künstlerinnen und Künstler, die sich mit aufsuchender Kulturarbeit beschäftigen. Über die einzelnen Sessions hinweg wurde aber auch anhand unterschiedlicher Beispiele sehr deutlich, dass man auf allen Kommunikationskanälen unterwegs sein müsse, um auf bestehende Angebote aufmerksam zu machen.
Das ginge beispielweise mit dem WhatsApp-Status genauso gut wie mit dem guten alten Zeitungsartikel, der allerdings klassischerweise erst einmal die Eltern ansprechen würde. Alle Diskutierende waren sich einig, dass es durchaus keine banale Aufgabe sei, überall Präsenz zu zeigen. Was aber eindeutig ist: Man muss dort sein, wo die Jugendlichen sich aufhalten. Und auch der Flyer beim Kieferorthopäden kann hier eine fabelhafte Möglichkeit sein, von dem eine Session-Teilnehmerin berichtete.
Was die Kontaktmöglichkeiten über die sozialen Netzwerke angeht, so wurde in den Diskussionen klar, dass es auch hier einer entsprechenden Vertrauensbildung bedürfe. Ein Teilnehmer berichtete von einer Evaluation, bei der am Ende herauskam, dass nur 15 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Jugendkultur-Projektes über die sozialen Netzwerke angesprochen wurde. Fast die Hälfte sei über den direkten Kontakt gekommen. Das würde aber keinesfalls bedeuten, dass man die Kommunikation in den sozialen Netzwerken einstellen solle. Es müsse eben alles ineinandergreifen und es ist sicher geboten, dies auch anhand der zur Verfügung stehenden Ressourcen entsprechend anzupassen.
Sichtbarkeit und Experimente
Ein wichtiges Thema im Zusammenhang von Vernetzung und Kooperationen sei der Informationsfluss zwischen den einzelnen Einrichtungen und Kulturanbietenden. Es wurde in den Sessions auch darüber diskutiert, inwiefern man dem Problem zu vieler parallellaufender Angebote durch gemeinsame Plattformen mit Kalenderfunktionen entgegenwirken könne. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein zentrales Thema in den Diskussionen um die Zukunft der kulturellen Jugendarbeit gewesen. Hier wurde sehr für einen Blick über den Tellerrand hinaus plädiert, der zum Beispiel auch die Kooperationen von Jugendamt und Kulturamt motivieren könne. Diese müssten unbedingt noch besser miteinander kooperieren und die Synergien stärker nutzen.
In einer Session wurde auch der Mut zum Scheitern in Kulturprojekten besprochen, den es derzeit stärker denn je brauche. Auch hier wurde die Meinung vertreten, dass von Seiten der Fördergeber*innen noch kräftig angepasst werden müsse, damit Experimente und mutiges Vorwagen nicht im bürokratischen Wust der Antragstellung untergehen. Dass man von Seiten des Kultursekretariats hier auf jeden Fall gewillt ist, sich der Herausforderung zu stellen, hat sicherlich auch das Experiment der ersten Online-Unkonferenz gezeigt. Daraus können mit Sicherheit eine Menge an Ideen und Anregungen für das zukünftige Arbeiten mitgenommen werden.
Ein Highlight der Veranstaltung war übrigens das digitale Catering auf der Blumenwiese auf Wonder.me. Denn das Wichtigste auf Konferenzen ist ja immer der Plausch am Buffet. Und der geht auch digital!