Die aktuelle Diskussion um die Zukunft des Museums Glaskasten in unserer Mitgliedsstadt Marl möchten wir zum Anlass nehmen, einen Blick auf die aktuelle kommunalpolitische Herausforderung zu werfen, in Zeiten dynamischen Wandels unter finanziellem Druck vorausschauende Entscheidungen für die Kultur am Standort zu treffen.
Die durch den Krieg zwischen der Ukraine und Russland ausgelöste Energiekrise und Kostensteigerung, der Sanierungsstau, Umbrüche im Einzelhandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Innenstädte, der Fachkräftemangel …
Die Kommunen sehen sich aktuell auf allen Ebenen einem erheblich hohen Druck ausgesetzt, dem Ziel gerecht zu werden, ihren Bürger*innen einen nachhaltig lebenswerten Standort zu bieten. Hierfür sind heute kluge strategische Entscheidungen und auch Investitionen erforderlich – insbesondere auch für die Stärkung der kulturellen Infrastruktur. Warum diese freiwilligen Leistungen nicht einfach streichen und die eingesparten Ausgaben an anderer Stelle investieren? Oft wird bei diesen Überlegungen vergessen, dass Kultur wie kein anderer Bereich bei verhältnismäßig wenig Mitteleinsatz eine außerordentlich große Wirkung entfalten kann. Sie ist schon lange nicht mehr Elfenbeinturm für eine kleine Elite, sondern vielmehr eine Grundvoraussetzung und Symbol für eine lebenswerte Stadt.
Der moderne öffentliche Stadtraum befindet sich mitten in einem grundlegenden Strukturwandel. Es sind Transformationsprozesse erforderlich, die in Richtung Öffnung gemeinschaftlicher Räume außerhalb von Arbeit, Ausbildung und Konsum gehen (sog. „Dritter Orte“), an denen ein zwangloses Miteinander und ein gemeinschaftsbildender Austausch stattfinden darf. Kultureinrichtungen sind hierfür zunehmend wichtige Treffpunkte, denn sie bieten über das informelle Zusammenkommen hinaus kreative Impulse und Raum für soziale Innovation. Sie regen einen Austausch diverser Zielgruppen miteinander an und geben neue Anregungen. Solche Treffpunkte der Kommunikation und Gemeinschaft außerhalb kommerzieller Interessen verschwinden zusehends. Dabei sind sie in einer sich immer weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft wichtiger denn je: für eine Annäherung an neue Perspektiven, für das freie Experimentieren, für den Diskurs über unterschiedliche Standpunkte, für eine gehaltvolle Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, für die künstlerisch-spielerische Beschäftigung mit alternativen Möglichkeitsräumen, für berührende Erfahrungen, kurz: für die Demokratiebildung.
Das Museum Glaskasten Marl ist seit Anfang der der 1980er Jahre ein Hort renommierter zeitgenössischer Kunst und hatte durch seine Transparenz im Erdgeschoss des architektonisch herausragenden Marler Rathauses umfassenden Einblick in die aktuellen Ausstellungen gewährt. Damit ist es hier hervorragend gelungen, den kultur- und architekturhistorisch hochgradig spannenden Gebäudekomplex mit der Kunst und dem öffentlichen Leben zu verknüpfen. Darin liegt großes Potenzial für die Stadt: Solche Kulturstätten können als Dritte Orte wichtige Impulse geben, um im real-physischen Treffen auch über Milieugrenzen hinweg zur Kommunikation und Partizipation einzuladen und damit neue Gemeinschaften zu bilden. Aus solchen Räumen heraus können Kunst und Kultur besonders ihre Eigenschaften ins Spiel bringen, zu einem unverkennbaren, prägnanten Profil des Stadtteils und der Stadt im Ganzen beizutragen. Es wird Atmosphäre geschaffen und ein kreatives Quartier kreiert. Kommunen, die sich hierfür öffnen und sich dafür einsetzen, bringen in Zeiten gesellschaftlichen Wandels eine fortschrittliche Haltung zum Ausdruck, die unserer Überzeugung nach eine große Chance birgt, langfristig die Lebensqualität am Standort zu sichern.
Wir möchten ein grundsätzliches Plädoyer zum Erhalt, und mehr noch: zur Entwicklung und Stärkung von Kultureinrichtungen diesen und ähnlichen Formats abgeben. Im Fall Marl blickt das Kultursekretariat NRW zurück auf eine jahrzehntelange Geschichte einer engen, fruchtbaren und innovationsfreudigen Zusammenarbeit, die nicht nur für museale Konzepte der bildenden Kunst, sondern auch und ganz besonders für die Bedeutung von Kunst für den öffentlichen Raum beispielgebend ist. Wir bauen vor diesem Hintergrund darauf, dass im Sinne dieser Vorreiterrolle in unserem Städtebündnis auf kommunalpolitischer Ebene klug abgewogen und vorausschauend über die Zukunft des Museums entschieden wird.
Aus unserer Warte ist für die Zukunft unserer Städte und der nachrückenden Generationen ganz wesentlich, auch und gerade in schwierigen Zeiten, Kultur in den strategischen Planungen prominent zu berücksichtigen und entschlossene, weite Bögen zu ziehen, um eine lebendige Stadtentwicklung zu gewährleisten.
Foto: Non Violence, Marl, Foto: Thorsten Arendt