Logo: Kultursekretariat NRW Gütersloh - zur Startseite

Kulturbloggerin testet NRWskulptur-App

Wann brauche ich die NRWskulptur-App?
Eine Betrachtung in drei Szenen.

Von Anke von Heyl

Szene 1

Es ist Sonntagnachmittag und der Tag ist bislang noch nicht verplant. Doch möchte ich das Wochenende nicht verstreichen lassen, ohne einen kleinen Ausflug zu machen. Ich will noch ein bisschen Programm. Ein längerer Trip lohnt sich nicht mehr und genau jetzt ist die Zeit, die App von NRWskulptur zu testen, die ich schon vor einiger Zeit auf mein Handy geladen habe. Ich wohne im Speckgürtel Kölns im eher unspektakulären Frechen, das allerdings viel in Sachen Keramik zu bieten hat. Aber kann die Stadt auch mit zeitgenössischer Kunst punkten?

Ich hatte nicht wirklich einen Treffer erwartet, war aber umso begeisterter, als mir die Arbeit von Per Kirkeby vorgeschlagen wurde. Der Künstler hat im noch unspektakuläreren Frechen-Bachem ein Werk hinterlassen, das über die Maßen spannend ist. Jetzt fiel mir auch ein, dass ich auf Facebook in der Gruppe „Frechen früher und heute“ schon einige aufgeregte Postings dazu gesehen hatte, die mit einem Screenshot von Google Earth versehen waren. Denn an dieser Stelle offenbart sich etwas, das man überhaupt nicht erahnt, wenn man vor dem Kunstwerk steht. Von oben betrachtet zeigt sich, dass man im Inneren des „Huset“ von 1973 ein Hakenkreuz erkennen kann. Ich beschloss also, meinen abendlichen Spaziergang diesmal nach Frechen-Bachem zu machen und mir die Situation vor Ort genauer anzuschauen. Die App hat mich passenderweise gleich zu Google-Maps geleitet und ich konnte sehen, dass ein Weg knapp 40 Minuten dauern wird. Das gefällt mir übrigens sehr gut an der App, dass sie diese Schnittstelle eingebaut haben! Überhaupt haben die Macher bei der Konzeption auf vorhandenes Material zurückgegriffen und nicht versucht, an jeder Stelle das Rad neu zu erfinden. Auf diese Weise sind mittlerweile auch 700 Objekte in der App zusammengekommen und es gibt die Möglichkeit, sie ständig zu erweitern. So müssen Apps gebaut sein. Nichts finde ich unpassender als einen statischen Container, der nach einer aufwendigen Entwicklung nicht mehr dynamisch bestückt werden kann.

Minimalistisch kommt das Huset daher und man ahnt natürlich nichts von seinem brisanten Inneren, wenn man davorsteht. Das Tolle an der App ist übrigens auch die Suche nach Künstlernamen. Und so kann ich an dieser Stelle alleine acht weitere Arbeiten von Per Kirkeby aus der App aufrufen und sie direkt vor Ort vergleichen. Spannend, wie der Künstler mit dieser leisen und unauffälligen Art durch kleine inhaltliche Wendungen ganz viel im Kopf auslösen kann. Durch die reduzierte Formensprache finden sich Kirkebys Arbeiten aber auch perfekt in die Umgebung ein. Hier in Frechen hat es aber auch schon heftige Diskussionen um das – allerdings nur durch die Vogelperspektive – erkennbare Hakenkreuz gegeben. Bis hin zur Forderung, das Kunstwerk zu beseitigen. Mir gefällt an dieser Arbeit das Subversive, diese Idee, dass das Grauen oft unsichtbar unter uns wachsen kann. So ist Kirkebys Arbeit ein spannender Anstoß und mein Spaziergang dorthin hat mich sehr nachdenklich gemacht!
 

Szene 2

Der Sommer 2020 lädt ein zu Ferien zuhause und ich suche nach einer schönen Route entlang einiger ausgewählter Skulpturen durch Köln. Die App hat tatsächlich auch einige Vorschläge für Touren integriert, die noch ausbaufähig sind. Toll würde ich ja finden, wenn man sich eine eigene Tour jeweils zusammenklicken könnte und dann sofort abfahren könnte. Jetzt fahre ich aber erst einmal auf eigene Faust los. Allerdings stelle ich fest, dass es noch ein paar Skulpturen gibt, die bei der Suche mit dem Filter „Köln“ nicht aufgeführt wurden. Das sind sicher die üblichen Kinderkrankheiten und wahrscheinlich muss das Taggen von Orten mehrfach gegengecheckt werden. Ich habe zudem gehört, dass zukünftig geplant ist, eine GPS-Suche zu nutzen, die einem Werke in der näheren Umgebung ausweisen kann. Das trifft auf die Bedürfnisse vieler Nutzerinnen und Nutzer, die schnell etwas wissen wollen über den Ort, an dem sie sich gerade befinden.

Für diejenigen, die jetzt Lust bekommen haben, meine Tour durch Köln abzufahren – hier ist die Routenbeschreibung. Start ist am Neumarkt, wo ich mir direkt zwei Skulpturen anschauen kann, die mir schon lange vertraut sind und über die ich in der App nochmal alles Wissenswerte nachlesen kann.

Am Josef-Haubrich-Hof prangt an der Fassade der VHS ein Relief, das der italienische Künstler Arnaldo Pomodoro 1961 geschaffen hat. Es befindet sich dort an einem für die Kunstwelt sehr geschichtsträchtigen Ort. Denn hinter dem VHS-Gebäude stand einst die Kunsthalle der Stadt Köln. Ihr Verlust wird bis heute in der Kunstszene sehr betrauert. Ganz im Zeitgeist der Raumfahrtbegeisterung präsentiert das Relief eine „Huldigung an das technische Zeitalter“. Köln war in den sechziger Jahren eine aufregende Stadt, die sich aus dem Trauma der Nachkriegszeit befreit hatte und die Wunden, die der Krieg in die Stadt geschlagen hatte, begannen langsam zu heilen. An all diejenigen, die Köln wegen des Fehlens alter Bausubstanz vielleicht als „hässlich“ empfinden – mir gefällt diese Aufbruchstimmung der Sechziger, die sich in solcher Kunst am Bau manifestiert hat. Und man muss eben die versteckten Ecken der Stadt aufsuchen, um das besondere Flair zu erleben. Übrigens ist der Josef-Haubrich-Hof ein Geheimtipp zur Zeit der Kirschblüte!

Bevor ich weiter Richtung Rheinufer fahre, hebe ich noch einmal den Blick und schaue schräg rüber zur berühmten Eistüte von Coosje van Bruggen und Claes Oldenburg. Es ist in Sichtweite der Schildergasse auf ein Dach gesetzt und spielt natürlich mit den ganzen Werbebotschaften in der Nähe einer der teuersten Shoppingmeilen Deutschlands. In den Sommermonaten kann einem übrigens auch mal ein Schnappschuss gelingen mit einer Eiswaffel vor einem Eisladen, die fast genauso aussieht wie das Kunstwerk. Ganz im Sinne der Pop Art spielt das Künstlerpaar natürlich mit solchen Assoziationen rund um das Thema Konsum und Stadtmöblierung. Ich verzichte auf ein Eis und plane, meinen Kaffee im Museum Ludwig zu trinken. Auf der Terrasse des Museumscafés habe ich nämlich einen schönen Blick auf eine weitere Skulptur, die es zu besichtigen lohnt.

Es wird ja immer gesagt, dass Köln keine Plätze kann. Und da ist auch etwas Wahres dran. Aber dieses Environment, mit dem der Künstler Dani Karavan den Platz gestaltet hat, der nach Kölns Literaturnobelpreisträger benannt wurde, ist wirklich beeindruckend. Zugegebenermaßen laufen hier wirklich viele Touristen entlang, die selten wissen, was die Eisenbahnschiene zu bedeuten hat, die in den Boden eingelassen wurde. Und auch nicht, welchen Hintergrund das stufenartige Gebilde hat, das vor der Hohenzollernbrücke steht. Ma’alot ist eigentlich ein begehbares Gesamtkunstwerk. Ihnen allen möchte ich am liebsten die App ans Herz legen. Den Platz, der den Musiksaal der darunterliegenden Philharmonie spiegelt, darf man übrigens sehr oft nicht betreten. Immer dann, wenn in der Philharmonie gespielt wird. Da wurde nämlich die Schallschutzdämmung bei der Planung vergessen!

Karavan hat mit seiner Arbeit versucht, einen „Widerhall“ hervorzurufen, der laut eigenen Aussagen nicht unbedingt auf konkrete historische Zusammenhänge bezogen werden soll. Aber wenn man weiß, dass in der Verlängerung der Schienen auf der anderen Rheinseite ein Sammellager gewesen ist, in welchem die Nazis jüdische Menschen zur Deportation zusammengepfercht haben, dann berührt das natürlich sehr stark die Erinnerung an den Holocaust.

Wer an einem weiteren Exkurs zur deutschen Geschichte während des zweiten Weltkrieges interessiert ist, der kann übrigens über die Brücke zu einem Mahnmal gelangen, das an weitere Opfer der Naziherrschaft erinnert. Rechts neben dem Hyatt Hotel befindet sich eine Arbeit der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz, die als „Denkmal der Grauen Busse“ bekannt ist und den Euthanasie-Opfern gewidmet ist.

Meine Tour führt mich nun aber weiter und ich fahre bis zu der Stelle, wo die Dombauhütte an den Roncalliplatz stößt. Dort – den Eingang vom Museum Ludwig im Rücken – befindet sich eine interessante Bodenskulptur, die sich für ein #fromwhereistand Selfie lohnt!

Die Bodenplatte stammt von einer Kunstaktion des Künstlers Lawrence Weiner. „To build a square in the Rhineland“ heißt die Arbeit und sie besteht aus den für den Künstler typischen Textbotschaften. Weiner ist ein Vertreter der Konzeptkunst und bekam 1995 den Wolfgang-Hahn-Preis am Museum Ludwig verliehen. Zu diesem Anlass entstand auch die Bodenplatte. Weitere Platten finden sich vor dem Dom und am Stadtgarten im Belgischen Viertel. Denkt man zunächst an einen Bezug zum Ort, führt einen der Text schnell hinfort in einen Gedankenraum, der so offen ist, dass man in seiner jeweiligen Verfasstheit ganz eigene Bedeutungen damit konstruieren kann.

Und wo wir schon am Roncalliplatz stehen, geht es ein paar Schritte weiter mitten auf den Platz hinaus, auf dem weit sichtbar eine Skulptur des Künstlers Heinz Mack in den Himmel ragt. Wenn man sich in einem günstigen Winkel zur Skulptur hinstellt – so dass man zwischen dem Dom und dem Domhotel hindurch in Richtung St. Andreas blicken kann, dann erwischt man sogar gleich zwei Kunstwerke des Mitbegründers der legendären Künstlervereinigung ZERO auf einen Blick. Wenn es dunkel wird, muss man allerdings dazu sagen. Denn dann blickt man auf die in Granit gehauenen Querstreben, die die Columne pro Caelo strukturieren und sieht dazu das Lichtkunstspektakel auf dem KölnTurm im Media-Park blinken – ebenfalls als querliegende Struktur über die Fassade des Hochhauses verteilt. Solche Blickachsen sind ganz besondere Details, die man nur sieht, wenn man darauf gestoßen wird. Mir gefallen solche imaginären Verbindungslinien besonders, die wie eine zweite Ebene über dem eigentlichen Stadtplan zu liegen scheinen.  

Und um die Fahrradrunde perfekt zu machen, geht es jetzt zu zwei weiteren Arbeiten, die mir von der App vorgeschlagen werden. Wer übrigens über die Orts- und Künstlersuche der App hinaus etwas finden möchte, der ist mit der Schlagwortsuche hervorragend bedient. Ich muss an dieser Stelle auch einmal das sehr klare Design der App loben. Alles sehr im Sinne von „form follows function“ gestaltet – zweckmäßig und nicht überladen.

St. Andreas war ja schon im Blick und dorthin radele ich jetzt gemütlich, um hinter der Kirche an einem schattigen Platz kurz Rast zu machen. Die romanischen Kirchen Kölns sind natürlich stets ein Highlight, aber heute bin ich auf den Spuren der Skulpturen im öffentlichen Raum. Mir gefällt es übrigens, dass sich die App auf die Arbeiten nach 1945 konzentriert. Gleichwohl findet man über die Suchfunktion die Möglichkeit, sich auch in anderen Zeitebenen umzutun.

Jetzt bin ich erst einmal mit einer raumgreifenden Installation alleine, die aus vier runden Kugeln besteht. Bevor ich Informationen via App hinzuziehe, will ich meinen ersten Assoziationen folgen. „Boule mit Riesen spielen“ denke ich spontan und muss lachen, weil vor der ersten Riesenkugel ein Mini-Fußball liegt. Da wollte wohl jemand mit der Kunst spielen. Erst auf den zweiten Blick entdecke ich die vier Quader, die zur Installation gehören. Gut, jetzt brauche ich doch mehr Informationen. Ich lerne, dass der Künstler Ansgar Nierhoff eine formal-ästhetisch sehr spannende Vorgehensweise hatte, die aus eben solchen Quadern mit unendlich vielen Hammerschlägen diese Kugeln formte.  Ein etwas rätselhafter Titel („Lichtung zu einem“) lässt mich verwirrt zurück. Dennoch bleibe ich noch etwas länger an diesem Ort, der direkt mitten in der Innenstadt so schön ruhig ist.

Bevor ich mit einem kleinen Schlenker wieder den Neumarkt ansteuere, mache ich noch einen Stopp beim Kölnischen Stadtmuseum und hebe meinen Blick. Dort thront ganz oben auf dem Turm des ehemaligen Zeughauses ein goldenes Auto mit Flügeln. Es ist übrigens nicht das einzige Kunstwerk in Köln, das aus einem Auto besteht. Wer herausfinden will, welches man in Köln noch finden kann, der darf gerne mal in der App nach dem Künstler Wolf Vostell suchen. Der goldene Vogel von H.A. Schult ist eines der vielen Provisorien, die in Köln für die Ewigkeit gemacht sind. Denn eigentlich handelte es sich damals nur um eine einmalige Aktion, in der der Künstler sich mit dem Fetisch Auto beschäftigt hatte. Das ist jetzt bald 30 Jahre her und obwohl es ein paar Bedenken hinsichtlich des Denkmalschutzes des historischen Gebäudes gibt – der Vogel bleibt. Das Bild hat sich mittlerweile auch in das kollektive Gedächtnis so eingebrannt, dass es kaum aus Köln wegzudenken ist.


Szene 3

Ich mache einen Ausflug ins MARTA Herford und nutze die App, um den Museumsbesuch zu erweitern, denn in der App ist eine Tour aufbereitet, mit der man insgesamt sechs Skulpturen in Herford zu Fuß abgehen oder wahlweise mit dem Fahrrad abfahren kann. Zwei Arbeiten in unmittelbarer Nähe zum MARTA haben mich schon immer fasziniert und ich nutze die Gelegenheit, mehr über sie zu erfahren. Das eine ist der Ball (La Palla) von Luciano Fabro, der sich mit dem gleichnamigen Rilke-Gedicht auseinandergesetzt hat. Der Text des Gedichtes ist auf den Boden eingelassen und führt in einer langen Linie zu einem Kreisverkehr, in dessen Mitte eine silberne Kugel glänzt. Das Abgehen der Bodenarbeit ist ein ganz besonderes Erlebnis!

Hoher Besuch vor dem MARTA – eine Arbeit von Michael Sailstorfer, bei der sich jeder sofort fragen wird, wer denn wohl mit dem Hubschrauber angeschwebt kommen mag. Auf mich hat er immer eine etwas bedrohliche Ausstrahlung, was wohl auch daran liegen mag, dass die Fenster verspiegelt sind. Ein rätselhafter Auftritt und ja, die beiden Aspekte „Absurdität“ und „Komik“ kann ich durchaus auch nachvollziehen. Ich habe übrigens noch nie gesehen, dass sich bei Eröffnungsveranstaltungen die Rotoren in Bewegung setzen. Da werde ich das nächste Mal genauer hinsehen.

Für heute war es nur eine Stippvisite. Die restlichen Skulpturen hebe ich mir für meinen nächsten Besuch in Herford auf!
 

Fazit

Die App NRWskulptur ist eine App, die erst einmal auf meinem Handy bleibt. Was ich nicht unbedingt von den meisten anderen Apps sagen kann, die im Kulturbereich entwickelt wurden. Bei NRWskulptur sehe ich aber einen deutlichen Mehrwert und werde sie sicher immer wieder nutzen, wenn ich mal wieder einen Ausflug plane. Oder wenn tatsächlich die Ortsfunktion hinzukommen wird, bei der man alle Skulpturen im Umkreis angezeigt bekommt. Ich finde die Usability der App sehr gelungen. Ein schöner Aspekt ist auch, dass einem außerhalb der Suchfilter zufällig ausgewählte Skulpturen angezeigt werden. Das regt an, sich mit Kunst zu beschäftigen, die man vielleicht erst einmal nicht auf dem Schirm hatte. Ein Plus in Sachen Kunstvermittlung! Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann würde ich mir ein paar spielerische Elemente vorstellen. Das würde vielleicht mehr motivieren, die App auch vom heimischen Sofa aus zu nutzen. Alles in allem habe ich hier ein wirklich gutes Tool gefunden. Und ich bin gespannt, in welche Richtung es noch weitergeht.

Zurück nach oben